Vom Startschuss bis heute – Über 125 Jahre Schwimmsport.
Wie lebte es sich in Langenberg vor mehr als 125 Jahren?
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte Langenberg knapp 8000 Einwohner. Die meisten waren Arbeitnehmer in der damals bedeutenden Textilindustrie. Die Familienväter arbeiteten in den Webereien und Seidenfärbereien der alteingesessenen Unternehmer. Viele hatten auch zu Hause einen Webstuhl stehen, um sich etwas dazu zu verdienen. Sie wohnten in Mietshäusern, die keine Heizung und kein Bad hatten, nur einen Ofen und Spülstein in der Küche sowie neben dem Haus ein Plumpsklo.
Wie es dabei um die Körperpflege, um die Reinlichkeit der meisten Menschen bestellt war, kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Nur in den Sommermonaten gab es die Möglichkeit zu baden. Wo Deilbach und Hardenberger Bach zu einem Mühlenwehr gestaut waren, tummelten sich in der warmen Jahreszeit die Knaben und jungen Männer im Wasser. Für Mädchen und Frauen war das Baden in der freien Natur aus Sittlichkeitsgründen tabu. Der Seidenfärbereibesitzer und Stadtverordnete Fritz Hoddick fühlte sich, wie die meisten seiner Fabrikantenkollegen, nicht nur für das kulturelle Leben in seiner Heimatstadt verantwortlich.
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Er war auch gegenüber seinen Arbeitnehmern sehr sozial eingestellt und wollte etwas zur Verbesserung ihrer Lebensqualität tun. Deshalb trieb er im Stadtrat und unter seinen Freunden die Idee voran, in Langenberg eine Badeanstalt zu bauen. Bald gewann er auch den Bürgermeister Frowein für diesen Plan. Aber die Haushaltsmittel der Stadt reichten nicht aus, um ein solches Projekt zu finanzieren. So leisteten Fritz Hoddick und seine Unternehmerfreunde erhebliche Privatspenden, um innerhalb kürzester Zeit den Bau der Badeanstalt zu ermöglichen. Am 12.Juli 1897 wurde sie auf dem Gelände Vogteier- Krankenhausstraße feierlich eingeweiht.
Nun war die körperliche Hygiene für die Langenberger Bevölkerung kein Wunschtraum mehr. In separaten Wannenbädern und Brausekabinen konnte man seine Reinlichkeit pflegen, und zwar das
Der Langenberger Schwimmverein – mehr als 125 Jahre alt.
Selbstverständlich, dass Fritz Hoddick im Gründungsjahr auch 1. Vorsitzender des Vereins wurde. Die damalige Satzung verrät uns: Mitglied werden konnten nur Männer ab dem 17. Lebensjahr. Ziel war es, das Schwimmen „als Mittel zur Kräftigung des Körpers und des Geistes“ zu pflegen und es „volkstümlich“ zu machen.
Denn „volkstümlich“ war das Schwimmen damals bei weitem noch nicht. Im Gegenteil, bei vielen Lehrern war es als „unsittlich“ verpönt, obwohl Jungen und Mädchen die Schwimmhalle ohnehin nicht gemeinsam betreten durften. An das Schwimmen als Teil des schulischen Sportunterrichts war noch lange nicht zu denken.
Der sozialen Zielsetzung im Geiste des Gründervaters Fritz Hoddick entsprach es auch, dass der Verein sich darum bemühte, besonders „Arbeitersöhne“ und „Volksschüler“ für das Schwimmenlernen zu gewinnen. Der Verein bezahlte für sie großenteils das Eintrittsgeld, die Badehosen, Badekappen und häufig auch die Handtücher. So konnte der Verein schon im Gründungsjahr 80 (natürlich männlichen) Jugendlichen, oft gegen den Widerstand ihrer Eltern oder Lehrer, das Schwimmen beibringen.
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Jedes Jahr wurde in der Schwimmhalle, anschließend im Vereinslokal, ein Stiftungsfest durchgeführt. Dass es damals noch nicht um sportliche Spitzenleistungen, noch nicht um Zehntel- oder Hundertstel-Sekunden ging, zeigt z.B. das Programm des 4. Stiftungsfestes von 1901: Es bestand aus einem Dreikampf (Schwimmen, Springen, Hechttauchen), Tellertauchen, Reigen, humoristischen Einlagen und Kürspringen.
In den Jahren bis zum 1. Weltkrieg wuchs in der breiten Öffentlichkeit das Interesse an solchen Schwimmvorführungen ganz enorm. Andere „Zerstreuungen“ wie Kino oder Fernsehen gab es ja noch nicht. Vom Stiftungsfest des Jahres 1913 ist bekannt, dass 295 Zuschauer in die Schwimmhalle strömten. Wer die alte Badeanstalt noch kennt, fragt sich, wo all diese Besucher wohl Platz gefunden haben. Auf der oben umlaufenden Galerie standen sie dicht gedrängt, und über die darunter liegenden, oben offenen Umkleidekabinen waren Bretter gelegt worden. Auf diesen Brettern war die Musikkapelle postiert, und hier drängte sich mit eingezogenen Köpfen der restliche Teil der Zuschauer.
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Es dauerte bis 1907, ehe die Satzung geändert und auch Frauen Mitglied des Schwimmvereins werden konnten. Sie mussten aber als „Damenabteilung“ einen eigenen Verein bilden. Und sie mussten noch weitere 20 Jahre darum kämpfen, Stimmrecht auf den Gesamtvereinsversammlungen zu erhalten. Es war kein „Macho-Gehabe“ der männlichen Mitglieder, das diese Emanzipation der Frauen so lange verhindert hat. Es war schlicht und einfach die Tatsache, dass die Schwimmzeit der Frauen auf Kosten der Übungszeit der Männer ging. Die zwei Wochenstunden, die dem Verein in der Badeanstalt insgesamt zur Verfügung standen, waren viel zu knapp bemessen.
Geschlechtsgemeinsam (also gleichzeitig) durften sie ja nicht trainieren! Wie sehr der Verein mit der Stadt um seine Schwimmzeiten rang, zeigen zahlreiche Anträge an den Bürgermeister, z.B. um die Genehmigung einer zusätzlichen Viertelstunde am Sonntagmorgen von 7.00 bis 7.15 Uhr. Welch ein heute unvorstellbarer Idealismus! Besser wurde es erst 1932, als Frauen und Männer endlich nicht mehr zu getrennten Zeiten schwimmen mussten.
Das alte Langenberger Freibad im Nizzatal.
Vor dem 2. Weltkrieg erhielt Langenberg endlich auch ein Freibad. Am 23. Mai 1938 wurde es in naturnaher, landschaftlich einmalig schöner Lage eingeweiht. Hier feierte der Langenberger Schwimmverein den größten Erfolg seiner Geschichte. Im Jahr 1947 hatte die Besatzungsmacht erstmals nach dem Krieg die Abhaltung einer Westdeutschen Jugendschwimm – Meisterschaft genehmigt.Altes Nizzabad Freibad
Überall herrschte noch Hungersnot, die Lebensmittelmarken reichten hinten und vorn nicht aus. Aber genau in dieses Nachkriegsjahr fiel das 50jährige Bestehen des Langenberger Schwimmvereins. Sollte man es überhaupt feiern, und wenn ja, wie? Willi Bierkämper als damaliger Vorsitzender ergriff mutig die Initiative und holte die Westdeutschen Meisterschaften nach Langenberg! Womit der damals aus Kriegsgründen noch dezimierte Verein nicht rechnen konnte: Es rückten sage und schreibe 800 Teilnehmer in Langenberg an! Wo sollten sie untergebracht werden?
Die Jugendherberge bot sich an, doch sie war noch voll belegt als Lazarett mit Kriegsversehrten. In aller Eile wurden Dutzende Zelte organisiert und auf dem Schulhof an der Donnerstraße errichtet. Zwischen den Zelten wurden „Gulaschkanonen“ (wenn auch mit geringer Fleischeinlage) aufgebaut. Die Vermutung liegt nahe, dass so viele Teilnehmer zu diesem Schwimmfest kamen, weil sie sich mal zwei Tage satt essen wollten, ohne Lebensmittelmarken dafür zu verbrauchen.
Das im Freibad durchgeführte Schwimmfest wurde ein großer Erfolg. Seitdem ist der Langenberger Schwimmverein ein Begriff im westdeutschen Schwimmverband. Ein großer Erfolg wurde es auch für den gastgebenden Verein: Franz Worring (damals 18 Jahre alt) wurde Westdeutscher Jugendmeister über 100m Brust! Seitdem hat Franz Worring als Sportlicher Leiter, Jugendbetreuer, Trainer, 2. Vorsitzender und in vielen weiteren Funktionen die Geschicke des Langenberger Schwimmvereins bis zu seinem Tod im Jahre 2001 geprägt. 1987 wurde er zum bisher einzigen Ehrenmitglied ernannt.
Über 125 Jahre alt und immer noch jung.
Die alte Badeanstalt war, trotz vieler Renovierungen, schließlich nicht mehr zeitgemäß und wurde 1974 geschlossen. Im Nizzatal, an der Stelle des bisherigen Freibades, entstand eine neue Anlage mit Schwimmhalle und Freibad, die 1975 eingeweiht wurde. Seitdem haben die Langenberger Wettkampfschwimmer bessere Trainingsbedingungen als in der alten Badeanstalt. Aber auch Wassergymnastik und Freizeitschwimmen kommen nicht zu kurz. Über die zahlreichen Angebote des Langenberger Schwimmvereins kann sich der Interessent auch Online hier informieren.
Ganz wichtig für die Nachwuchsgewinnung sind die Anfänger Schwimmkurse des Vereins im Lehrschwimmbecken des Langenberger Ortsteils Nierenhof. In der heutigen Zeit der individuellen, ungebundenen Freizeitmöglichkeiten haben die Sportvereine es immer schwerer, aktiven Nachwuchs an sich zu binden. Der Langenberger Schwimmverein steht mit mehr als 400 Mitgliedern aber immer noch gesund da. Grund dafür ist sicherlich auch die Tatsache, dass er regelmäßig attraktive Jugendfreizeiten und für seine Wettkampfschwimmer erfolgreiche Trainingslager veranstaltet. Insofern wird die soziale Aufgabe im Sinne des Gründervaters Fritz Hoddick bis heute fortgesetzt.
In den Jahren vor und nach dem 2. Weltkrieg hatte der Langenberger Schwimmverein seine größten sportlichen Erfolge zu verzeichnen. Seine Wasserballmannschaft stieg 1935 in die höchste Landesklasse auf. Seine Damenmannschaft nahm 1936 am Sichtungslehrgang für die olympischen Spiele in Berlin teil. Und nach dem Krieg, 1947, der erwähnte Erfolg des Jugendschwimmers Franz Worring. Ebenso stand über 100m Rücken der Langenberger Schwimmer Rans-Gerd Linde einige Jahre in der nationalen Zehntbestenliste des DSV.
In jüngster Zeit ist sportlicher Erfolg bis in die nationale Spitze aus bekannten Gründen kaum noch zu erreichen für einen relativ kleinen Sportverein. Dass aber der Langenberger Schwimmverein nicht nur soziale Jugendarbeit betreibt, sondern auch seine Wettkampfschwimmer fördert, mag ein Beispiel zeigen: Bei den Europameisterschaften der Masters 1999 in Innsbruck errangen die Langenberger DMS-Frauenstaffel und die Mixed-Staffel jeweils eine Bronzemedaille. Mehr als 125 Jahre Tradition hoffentlich währt sie noch lange!
Verfasst durch Eike Waterkamp